Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] Erfurter Straßenbahngeschichte Strassenbahn Obus Erfurt Thüringen
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
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Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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ISBN: 9783765471902 bzw. 3765471909, Band: 8, vermutlich in Deutsch, Bruckmann München Verlag, Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch, gebraucht.

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Von Händler/Antiquariat, BUCHSERVICE / ANTIQUARIAT Lars Lutzer [53994756], Wahlstedt, Germany.
Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbe.
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3765471909 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

Lieferung erfolgt aus/von: Deutschland DE HC US

ISBN: 3765471909 bzw. 9783765471902, Band: 8, in Deutsch, Bruckmann München Verlag Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch, gebraucht.

Von Händler/Antiquariat, Buchservice-Lars-Lutzer Lars Lutzer Einzelunternehmer, 23812 Wahlstedt.
2001 Hardcover 160 S. 23,4 x 17 x 1,6 cm Gebundene Ausgabe Zustand: gebraucht - sehr gut, Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den "Luxus", einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. "Fertig", brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. "Bimbam!? echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den "Glockenstift", betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht?Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.? Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos?Ich kann das Homanit nicht finden". Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann?Sehen Sie, so geht es?. Die meinte nur?Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung?«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er?Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott?. "Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe", vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. "Zieh Leine, weißt wohl alles besser?" Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der "Elektrischen" 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den "Luxus", einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. "Fertig", brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. "Bimbam!? echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den "Glockenstift", betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht?Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.? Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos?Ich kann das Homanit nicht finden". Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann?Sehen Sie, so geht es?. Die meinte nur?Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung?«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er?Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott?. "Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe", vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. "Zieh Leine, weißt wohl alles besser?" Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der "Elektrischen" 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. gebraucht; sehr gut, 2014-09-19.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Symbolbild
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Symbolbild
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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ISBN: 9783765471902 bzw. 3765471909, Band: 8, vermutlich in Deutsch, Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch.

70,62 ($ 83,06)¹ + Versand: 7,12 ($ 8,37)¹ = 77,74 ($ 91,43)¹
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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Symbolbild
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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ISBN: 9783765471902 bzw. 3765471909, Band: 8, vermutlich in Deutsch, Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch.

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Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Symbolbild
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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ISBN: 9783765471902 bzw. 3765471909, Band: 8, vermutlich in Deutsch, Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch.

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Von Händler/Antiquariat, BOOK-SERVICE Lars Lutzer - ANTIQUARIAN BOOKS - LITERATURE SEARCH *** BOOKSERVICE *** ANTIQUARIAN RESEARCH.
Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
Symbolbild
Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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9783765471902 - Hans Wiegard (Autor): Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen
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Hans Wiegard (Autor)

Die Erfurter Straßenbahn Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt [Gebundene Ausgabe] von Erfurt Thüringen (2001)

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ISBN: 9783765471902 bzw. 3765471909, Band: 8, vermutlich in Deutsch, Bruckmann München Verlag, gebundenes Buch.

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Bruckmann München Verlag, 2001. 2001. Hardcover. 23,4 x 17 x 1,6 cm. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte. Erfurt ist bekannt im Lande der Gallier. Ort im Fränkischen Reich (dem einstigen gemeinsamen Haus der Franzosen und Deutschen), Schauplatz des Bruches zwischen Bonaparte und Alexandre III. und liebenswerte Stadt im Herzen Thüringens. Erfurt hat auch eine Straßenbahn, die durch ihr geschicktes und progressives Agieren selbst zu DDR-Zeiten als sehr erfolgreich galt. Grund genug, so meint der Rezensent, sich einmal der Geschichte und der Gegenwart der Erfurter »Bimmel« auf 1000 mm Spurweite zu widmen. Und so wird der interessierte Leser beim Münchener Verlag GeraMond auch sehr schnell fündig. Wiegard, HansDie Erfurter Straßenbahn. Nahverkehr in Thüringens Hauptstadt. München GeraMond 2001. Schon das Inhaltsverzeichnis aber erzeugt unnötigerweise Verwirrung - bei nur 160 Seiten. Fünfzig Prozent des Inhaltsverzeichnisses entfallen nämlich auf den Abschnitt »3. Chronologie der Ereignisse - Straßenbahn und Obus in Erfurt«. In kaum nachvollziehbaren Schritten wird hier eine Mikroperiodisierung vorgenommen. Beispiel1880 - 1883, Seite 76; 1884 - 1893, Seite 80 usw. Die Zäsur zwischen den beiden hier angeführten Perioden ist nicht etwa die Elektrifizierung der einstigen Erfurter Pferdebahn (diese erfolgte erst 1894) sondern der Wechsel des Eigentümers (!). Die besagte Chronik auf den Seiten 76 bis 140 weist dagegen keine dieser Periodenbezeichnungen aus dem Inhaltsverzeichnis auf. Die Geschichtswissenschaften haben sicher auch in Deutschland ein entsprechendes Periodisierungssystem für die Geschichte der Neuzeit und die Zeitgeschichte hervorgebracht, das normalerweise (ausgenommen umstrittene Detailfragen wie der Historikerstreit von 1986 zur Geschichte des Antisemitismus) auch von den Wissenschaftlern wie den Autoren als Grundlage angesehen wird. Da auch die Technikgeschichte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bildet, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, Autor und / oder Verlag wollten durch diese wissenschaftlich unsinnige Periodisierung das hinsichtlich der Textdarstellungen schmalbrüstige Werk doch noch irgendwie zu einem Sachbuch aufwerten. Von 154 zur Verfügung stehenden Seiten (abzüglich der Seiten 1 - 4 sowie der Seite 160, die der Verlagsreklame vorbehalten ist) entfallen nur 32 Prozent auf den Text, 68 Prozent hingegen auf Fotos und einige wenige Streckenskizzen. Dem Autor, der bereits in anderem Zusammenhang für seinen festen Willen bekannt geworden ist, Recht zu behalten, ist allerdings ans Herz zu legen, doch auch die früheren Perioden seines Schaffens nicht zu vergessen. »Bereits 1921 (FußnoteNicht, wie in manchen Publikationen angegeben, 1925)«, heißt es auf Seite 19, »tauchte eine neue Farbgebung an Erfurter Straßenbahnwagen auf. Statt des bisherigen Anstrichs in Rot und Beige erhielten die Wagen eine weiße Lackierung mit schwarzen Absetzstreifen - als durchaus beabsichtigter Anklang an die Farben der preußischen Flagge. Die Umlackierung aller Wagen war bis 1926 abgeschlossen, und Weiß und Schwarz blieben als Farben der Erfurter Straßenbahnwagen bis 1957 bestehen.« Leider verschafft die einzige (!) wirkliche Fußnote im Textteil (Die Fahrzeugstatistiken im Anhang wurden noch mit zwei Fußnoten versehen - sic!) keine Aufklärung darüber, welches nun die Publikationen sind, die da anderes behaupten. Dazu muß man schon in der DDR-Zeitschrift »Der Modelleisenbahner« 1981 (Heft 8, Seite 232) nachschlagen. Dort lesen wir »Ab 1926 leistete man sich den ›Luxus‹, einen reinweißen (!) Anstrich mit schwarzen Zierleisten einzuführen «1) VerfasserDipl.-Lehrer Hans Wiegard und Ko-Autor Siegfried Unruh. Hans Wiegard versäumt es nicht, den Obus-Verkehr in Erfurt gebührend zu würdigen. Damit gehört er zu den wenigen Autoren, die sich diesem interessanten und umweltfreundlichen Verkehrssystem widmen. »Den Obus hatte der sächsische Ingenieur Schiemann Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden «, verkündet Wiegard auf Seite 29. Otto Armknecht war in dieser Beziehung wesentlich vorsichtiger, als er 1929 in den »AEG Mitteilungen für Bahnbetriebe« formulierte »Die ersten in Deutschland angestellten Versuche mit elektrischen gleislosen Oberleitungswagen gehen bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück Die älteste deutsche Anlage in Königstein (Sachsen) ist wieder aufgegeben worden « (Hervorhebungen - D. B.) Schließlich hatte es vor der Eröffnung des regulären Obus-Betriebes zwischen Königstein - Bad Königsbrunn am 10. Juli 1901 bereits in Paris einen öffentlichen Obus-Verkehr (System Lombard-Gérin, mit Kontaktwagen) gegeben. Zweifellos gebührt Schiemann mit seinem Zweistangen-Schleifkontaktsystem das Verdienst, das moderne und zukunftsträchtige Obussystem durchgesetzt zu haben. Erfunden hat er den Obus indes nicht. Übrigens hätte das der Autor der vorliegenden Arbeit in dem Werk »Von den Gleislosen zum Oberleitungsomnibus« von Gerhard Bauer (Dresden 1997) nachlesen können.2) Unfreiwillig komisch wird es in dem Buch, wenn Wiegard Straßenbahn-Anekdoten zum Besten gibt. Vom schneidigen Retter der Bedrängten über die - jeder pflege seine Vorurteile! - unfähigen Ossis bis zum Fallschirmsprung - nichts von dem hat der Autor ausgelassen. Und wirklich scheint die Wirkung des ersten Fallspringers Deutschlands, Jürgen W. Möllemann, nicht nur auf das politische Leben jenseits des Rheins größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Als nämlich Hans Wiegard noch ein Junge war, fuhr er einmal mit der Erfurter Straßenbahn »Der Junge steigt an der Vordertür beim Fahrer ein. Irgendwie gelingt es ihm, sicheren Stand zu finden, obwohl sich die Fahrgäste aneinander drängen wie die Heringe in der Tonne. ›Fertig‹, brüllt eine Stimme, eine Reißleine wird nach unten gezogen, und eine Glocke ertönt. ›Bimbam!‹ echot es, als der Fahrer die runde Tretplatte mit seinem Fuß malträtiert. Sonor summend setzt sich die Bahn in Bewegung. Ohne hinzusehen dreht der Fahrer seine Kurbeln, mal die linke, mal die rechte. Sein Blick gilt allein dem, was auf der Straße vor ihm geschieht. Es grenzt an ein Wunder, daß der Fahrer seine Arbeit überhaupt verrichten kann, und das auch noch im Stehen« (Seite 66). Irgend jemand zieht die Reißleine, aber nicht der Fallschirm öffnet sich (bei Möllemann hingegen hat es bisher ja immer geklappt), nein, die Physik schlägt sich selbst ein Schnippchen und erzeugt ein akustisches Echo, als der Fahrer seine »Tretplatte« (gemeint ist die Trittplatte) malträtiert. Aber wahrscheinlich hatte der Straßenbahnfahrer da schon selbst »Bimbam« gerufen und so das Echo ausgelöst. Eigentlich sollte ein Fachautor, der sich selbst für die so ziemlich einzige kompetente Instanz in Sachen DDR-Straßenbahn hält, auch eine ausreichende Grundkenntnis der typischen Fachbegriffe haben. So bleibt dem Leser des Wiegardschen Werkes leider nichts anderes übrig, als sich Rat in einem Standardwerk der späten vierziger Jahre zu holen. Da lesen wir dann auch endlich, was es mit »Reißleine« und »Tretplatte« auf sich hat »Laut BOStrab müssen auf jedem Fahrerstand Vorrichtungen zur Warnung von Teilnehmern am Straßenverkehr vorhanden sein. Deshalb ist jeder Fahrerstand mit einer Läutevorrichtung versehen. Der Fahrer kann mit dem Fuß einen aus dem Fußboden der Plattform hervorstehenden Stift, den ›Glockenstift‹, betätigen, wobei eine unter dem Plattformboden angebrachte Glocke angeschlagen wird Ebenso müssen laut BOStrab alle Straßenbahnfahrzeuge mit Einrichtungen versehen sein, die es dem Personal ermöglichen, sich untereinander zu verständigen. Fast allgemein haben sich die Zugriemen eingeführt, die durch den ganzen Wagen laufen und sowohl von den Plattformen als vom Wageninnern aus bedient werden können. Dabei wird eine an der Plattformdecke angebrachte Glocke betätigt.«3) Selbst Straßenbahnfreunde in der DDR, deren Zugriff auf Publikationen aus der damaligen Bundesrepublik nahezu unmöglich war, fanden im legendären »Straßenbahn-Archiv« (Band 1) 4) auf Seite 192 die Begriffe »Zugriemen« bzw. »Zugseil«. Daß Hans Wiegard zum Autorenkollektiv dieses Buches zählte, ist mindestens ebenso peinlich, wie der Umstand, daß der für das »Lektorat« (siehe Impressum) zuständige Rudolf Heym, immerhin verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Lok-Magazin«, diese Fehler tolerierte. Nicht nur die französische, sondern auch die deutsche Sprache, lieben die Präzision und halten dafür ein reiches Instrumentarium sprachlicher Mittel bereit. Die Angelegenheit mit der »Kurbelei«, die der Fahrer scheinbar planlos veranstaltet, steht in herrlich-komischem Gegensatz zu dem Beinahe-Wunder der Straßenbahndurchquerung des Erfurter Stadtzentrums, der Wiegard den abenteuerlichen Reiz der Atlantiküberquerung an Bord der »Spirit of St. Louis« verleiht. Ein Blick in die Sterbetafeln des Gesundheitsamtes müßte, folgen wir dieser blumigen Darstellung, in der Berufsgruppe der Straßenbahnfahrer eine entsprechende stressbedingte Mortalitätsrate zu Tage fördern. Nun ja, so mag nun der voreingenommene Leser im Westen resümieren, das sei die DDR gewesen. Gewußt habe man das ja schon immer, zumal auf Seite 71 auch unbedarfte Fahrgäste mit der in Erfurt eingeführten elektrischen Türbetätigung haderten»Da die Türschließeinrichtungen aber oft den Dienst verweigerten, hatten die Erfurter Verkehrsbetriebe innen an den Türen Kunststoffschilder mit der Aufschrift angebracht›Tür läßt sich von Hand öffnen und schließen. Homanit.‹ Homanit hatte nichts mit dem Hinweis zu tun, sondern war das Firmenlogo des Schilderherstellers aus Apolda. Aber mißverständlich war die Aufschrift schon Auf dem Schaffnerplatz saß ein junges Mädchen, offensichtlich eine Studentin. Sie kassierte das Fahrgeld, drückte hin und wieder die am Schaffnerplatz befindlichen Knöpfe für die Türbetätigung. An der dritten oder vierten Haltestelle ging nichts mehr - der Druck auf den Türknopf bewirkte nur ein Rattern und Krachen. Ausgerechnet jetzt wollten besonders viele Fahrgäste aussteigen. Ungehalten blickten sie zur Schaffnerin. Die drückte nochmals auf den Knopf, errötete und meinte hilflos›Ich kann das Homanit nicht finden‹. Ich packte den Türgriff und riß mit einem kräftigen Ruck die Tür auf. Zur jungen Schaffnerin sagte ich dann›Sehen Sie, so geht es‹. Die meinte nur›Und ich habe gedacht, Homanit ist so was ähnliches wie eine Arretiervorrichtung‹«. In Anbetracht der sich (wie erwartet) deppenhaft verhaltenden Einheimischen war es immer gut, wenn es vor Ort einen beherzt zupackenden Praktiker gab, der wie hier unschwer zu erkennen, Wiegard hieß. Une histoire belge, eine belgische Geschichte5) liefert Wiegard in Zusammenhang mit dem Straßenbahn-Gelenkwagen Nr. 153 aus dem VEB Waggonbau Gotha »Ende 1960 bestellten die Erfurter Verkehrsbetriebe beim VEB Waggonbau Gotha zwei Straßenbahn-Gelenkwagen. Beide sollten im Frühjahr 1961 in Betrieb genommen werden. Die Fahrzeuge wurden zwar termingerecht fertig, doch in Erfurt traf nur ein Wagen ein, der zweite war nicht aufzufinden - weder im Herstellerwerk noch anderswo. Während der erste Gelenkwagen betriebsfähig hergerichtet wurde, ging eine hektische Sucherei los - die Telefondrähte glühten beinahe. Es war aber nichts zu machen; der andere Wagen blieb verschollen« (Seite 70). An dieser Stelle war der Rezensent versucht, an eine Verschwörungstheorie gegen den aktiven Straßenbahndetektiv zu glauben, denn letzterer verwickelte den Pförtner des Straßenbahndepots geschickt in ein entsprechendes Gespräch (schon Fouché hatte seinen Untergebenen nahegelegt, die Concierges als ergiebige Informationsquelle anzusehen) »Eines Tages sah ich, wieder einmal auf Pirsch nach Neuem, im Depot Nordhäuser Straße den gerade zusammengebauten Triebwagen 152. Unbekümmert sprach ich einen Straßenbahner an, der am Eingang des Depots Wache hielt, und begann, ihn auszufragen. Der Mann gab bereitwillig Auskunft, dann meinte er›Es müßte noch ein Wagen kommen, aber wo der steckt, weiß der liebe Gott‹. ›Vielleicht ist er in Leipzig auf der Messe‹, vermutete ich, hatte doch auch Erfurts erster Gelenkwagen ein Jahr zuvor dort gestanden. Die Miene des Mannes verfinsterte sich. ›Zieh Leine, weißt wohl alles besser?‹ Eilends gab ich Fersengeld.« Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich eine solche Geschichte gerade in dem zentralistischen und sorgfältig kontrollierten und überwachten Wirtschaftssystem der DDR ereignet haben soll. Mit einer Pferdebahn begann am 13. Mai 1883 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Erfurt der Stadtverkehr auf der Schiene. Mit Einführung der „Elektrischen“ 1894 waren die grüne, die rote und die gelbe Linie aus dem Erfurter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit den 1970er-Jahren wurde das Streckennetz immer wieder erweitert und gilt bis heute als vorbildlich im deutschen Nahverkehr. Die Thüringer Straßenbahnfreunde haben in liebevoller Kleinarbeit eine Chronik von 125 Jahren Erfurter Straßenbahngeschichte zusammengestellt. Die über 200 bisher überwiegend unveröffentlichten Fotografien erzählen lebendig vom besonderen Flair der Anfangszeit. Unterhaltsame Geschichten verdeutlichen die bis heute ungebrochene Faszination Technik. Dieses Buch ist nicht nur ein Leckerbissen für Straßenbahnliebhaber, sondern auch ein Freifahrtschein zurück in ein besonderes Stück Erfurter Geschichte.
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