Zur Theorie der Dichtkunst. - ein Angebot gefunden

Von Händler/Antiquariat, Antiquariat Boller.
8° Oktav 236 S. Übertragen von Kurt Leonhard. Die Kopf- und Fußkanten des Su. sind etwas knickspurig. Das obere Kapital hat eine kleine Druckstelle. Die Kopfecke des Vorderdeckels ist etwas bestoßen und lädiert. Der Kopfschnitt ist ergraut und etwas fleckig. Entsprechend den beiden Polen seines Wesens: der äußersten Sensibilität und der höchsten Bewußtheit, sind Poesie und Reflexion bei Valéry nicht zu trennen. In seiner Dichtung sind beide Elemente zu vollkommener Einheit verschmolzen. Sein Denken aber richtet sich immer wieder auf diese Einheit selbst, um in ihrem Geheimnis - oder ihrem Mechanismus - dem Wesen der Dichtung auf die Spur zu kommen. Über eine Spanne von fünfzig Jahren, von 1889, der Zeit seiner frühen Gedichte, bis 1939, sechs Jahre vor seinem Tode, reichen die Vorträge, Aufsätze und Notizen, die in diesem Band vereinigt sind. Ebenso wie Valéry von der Dichtung das Äußerste forderte: daß sie »reine« Dichtung sei, strebt er auch in seinen Betrachtungen über die Dichtkunst das scheinbar Unmögliche an: nämlich an Stelle der »metaphysischen, mystischen oder mythologischen« Vorstellungen über die Dichtkunst eine positive Kenntnis dessen zu setzen, was sich dem Zugriff positiver Erkenntnis offenbar entzieht, dessen, was wir den schöpferischen Prozeß zu nennen gewohnt sind. Kein Dichter hat sich ironischer über die »Inspiration« und das »Diktat der Muse« geäußert als Valéry. Zwischen dem ersten dichterischen Impuls und dem fertigen Werk liegt für ihn - »dem Ernst, dem Schmerz, der Geduld und der Arbeit des Negativen« vergleichbar, deren bei Hegel der Geist bedarf, um wahrhaft er selbst zu werden - der lange, mühevolle Weg des Wägens, Verwerfens, Suchens und Entscheidens: die künstlerische Arbeit. Der schöpferische Prozeß also, aber unter dem mehr handwerklichen und bewußtseinsnäheren Begriff der »Produktion« oder des »Machens«, des griechischen poiein, gefaßt, ist das zentrale Thema dieser Schriften, das Valéry zu klären und in erlesenen Formulierungen zu fixieren versucht. Wenn er dabei in seinem Bestreben nach positiver Erkenntnis bisweilen so weit geht, die Begriffe für sein Thema der Wirtschaftswissenschaft und seine Vergleiche der Technik zu entlehnen, so hält dem seine eingewurzelte Neigung zu zweifeln, zu fragen und zu erstaunen die Waage. Durch diesen tieferen Zug seiner selbst werden seine Darlegungen zur Problematik und erhalten als solche ihr eigentliches Gewicht. Es ist kennzeichnend für das Verhältnis unserer Zeit zur Dichtung, daß dem Dichtungsprozeß, der Elaboration eines Gedichts eine immer größere Bedeutung zugemessen wird. Valéry, bei dem diese Gewichtsverlagerung zum ersten Mal prinzipiell und radikal vollzogen ist, hat damit die Ära einer neuen Auffassung von Dichtung eröffnet, die noch heute nicht abgeschlossen ist.

Kategorie: Literatur
Daten vom 08.09.2011 12:08h
ISBN (andere Schreibweisen): 7-03-529731-6, 978-7-03-529731-5